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Das Glück der Dancefloor-Ekstase, es ist flüchtig, aber Boris Dlugosch fängt es immer wieder ein. Als Remixer und Produzent ist der Hamburger für einige der größten Dancefloor-Hits der letzten Dekaden verantwortlich („Sing It Back“ von Moloko, „Keep Pushin’“, sein Elektro-Track „Bangkok“ u.v.m.), und wenn er auflegt, erzeugt er immer wieder diese herrlichen Momente, in denen auf der Tanzfläche die letzten Hemmungen fallen und alle sich beseelt anlächeln. Gelernt hat er dieses Handwerk im legendären Front-Club in Hamburg, wo er 1986, im Alter von 17, anfängt aufzulegen. Damals sind DJs noch keine Stars, und Clubnächte noch nicht strikt unterteilt in Genres. In diesem Keller am Berliner Tor in Hamburg, in den 600 Leute passen, trifft sich damals schwule Feierkultur mit einer großen Begeisterung über diese hedonistische neue Musik aus den USA, die auch entspannte Heteros mitreißt: House. Mit seinen Sets dort euphorisiert Dlugosch die Crowd – darunter einige, die später einmal sehr wichtig werden in der bundesdeutschen Medien- und Kulturlandschaft. Man braucht nur die ehemalige Vogue-Chefin Christiane Arp zu fragen, die gern unter den irren Neonröhren-Stroboskop-Gewittern des Front feierte. Oder Moritz von Uslar, der sich in der Zeit einmal an den „besten und rundesten Moment meines Lebens“ erinnerte, nämlich an „jene Minute im Sommer 1989, als Boris Dlugosch im Front – es lief Lil’ Louis’ ‚French Kiss‘ – den Bass rausnahm und die Leute auf der Tanzfläche zum Loop des Synthesizers die Hände zur Decke hoben und ein, ja, orgiastisches Glücksschreien durch den Raum ging“.

Die elektrisierende Offenheit von Dlugoschs Sets wurzelt in dieser Zeit. Er mixt Acid-Zwitschern mit softem Vocal-House und hat auch kein Problem damit, zerhackte Sample-Tracks in Beziehung zu setzen mit ewig coolen Pop-Hits wie „Relax“ von Frankie Goes To Hollywood oder „Dr. Beat“ von Miami Sound Machine. Dieser eklektische, nie beliebige Ansatz prägt auch die 2018 auf Gerd Jansons Label Running Back erschienene Compilation „Running Back Mastermix: Front“, die Dlugosch zusammen mit seinem DJ-Kollegen aus dem Front, Klaus Stockhausen, zusammengestellt hat und die den Spirit dieser Zeit einfängt. Sie begeisterte einen anderen Front-Fan, den Chefredakteur des Zeit Magazins Christoph Amend, so sehr, dass er eine große Strecke mit historischen Fotos aus dem Front im Zeit Magazin druckte und zur Präsentation Dlugosch und Stockhausen zum Talk lud.

Seine perfekten Mixing-Skills wendet Dlugosch seit über 30 Jahren auch als Produzent und Remixer an. Er hat mit Mousse T. und Purple Disco Machine kooperiert, und als Adidas Originals im Jahr 2018 eine neue Kampage launcht, mit Dua Lipa als Model und Brand-Botschafterin, ist im Spot ein neuer Remix seines Hits „Keep Pushin’“ aus dem Jahr 1995 zu hören. „Keep Pushin’“ führte damals einen völlig neuen, hypnotischen, elektronischen Sound im Genre Vocal-House ein. Auch mit „Sing It Back“ prägt Dlugosch dann die Tanzflächen: Als er 1999 die Albumversion dieses Moloko-Songs hört, sehr minimalistisch instrumentiert, aber schon mit diesem wahnsinnig eingängigen Refrain, denkt er: „Was für eine Hymne!“ – und produziert ohne offiziellen Auftrag der Band oder der Plattenfirma seinen mit funky Gitarre gespickten House-Remix, der dann um die ganze Welt geht. Der „Boris Musical Mix“ gefällt Moloko nämlich so gut, dass er kurzerhand zur Single-Version umdeklariert wird. Ergebis: Top-Ten-Platzierungen überall. In den USA kommt „Sing It Back“ in Dlugoschs Version sogar auf Platz 1 der Billboard-Dance-Charts. Danach kollaboriert er für einige Singles mit der Moloko-Sängerin Róisín Murphy, unter anderem für den Hit „Never Enough“, der ebenfalls weltweit chartet, und remixt am laufenden Band andere Stars, die ebenfalls den Dlugosch-Touch wollen: Daft Punk, Jamiroquai, Moby, u.v.a. Wobei Dlugosch die Tracks anderer auch schlicht dadurch zu Hits machen kann, dass er sie einfach zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort spielt. So geschehen mit „Groovejet“ von Spiller: Dlugosch legt diesen Disco-Sample-Track als erster DJ auf, 1999 in Miami im Club Groove Jet (deswegen heißt der Track so). Er schlägt bei der Crowd sofort so ein, dass Dlugosch wenig später zusammen mit dem Produzenten Spiller in London im Studio sitzt, um auf Bitte der Plattenfirma mit der damals noch völlig unbekannten Sängerin Sophie Ellis-Bextor einen Pop-Hit draus zu machen. Sie nehmen also diese Ohrwurm-Vocals auf („If this ain’t love…“), und schon wieder: ein globaler Chart-Hit, bei dem Dlugosch beteiligt ist, ohne dass normale Pop-Radiohörer*innen heute etwas davon wüssten.

Aber dies hier soll keine Geschichte sein über einen Künstler, der manchmal etwas energischer dafür hätte sorgen können, dass sein Name offiziell in die Credits geschrieben wird. Sondern es ist die Geschichte eines Mannes, dem es von Anfang an zuallererst um die Musik geht – und darum, wie er mit ihr Menschen beglücken kann. „Mein Talent ist es, die Menschen lesen zu können“, sagt er bescheiden. Damit meint er seine Spezialität, die Tanzfläche vibrieren zu lassen, während gleichzeitig schon zu spüren ist: Oha, da kommt gleich noch was! Und dann mischt er in zwei oder fünf Minuten genau den Song oder Track rein, von dem die meisten im Raum noch gar nicht wissen, dass sie ihn unbedingt hören wollen, beziehungsweise: dass er sie so zum Kreischen bringen wird. Dlugosch findet immer wieder dieses perfekte Verhältnis zwischen teasing und pleasing, er ist ein Routinier der Euphorie-Momente. Wenn er in der Panoramabar in Berlin oder im Hamburger Pudel-Club auflegt, stehen mit ihm fast vier Dekaden gelebte Club- und House-Kultur hinter dem Mischpult. Wenn er auf einer Bambi-Verleihung auflegt, wird der Abend nicht zur Pop-Kirmes, sondern zur unterhaltsamen Lehrstunde darin, wie man mittels höchster DJ-Kunst einen grandiosen Electro-Remix von Kate Bushs „Running up That Hill“ mit einem nagelneuen Track von DJ Koze oder Moderat verbindet. „Ich bin getrieben davon, mich selber nie langweilen zu wollen“, sagt er. Deswegen bleiben seine Sets und Tracks immer so spannend. (Jan Kedves, Juni 2022)

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